Große Momente mit kleinen Menschen

Oder: Tagebucheinträge? - Täglich! - Aber auch alltäglich?

Alles begann am John Chilembwe – Day ...

John Chilembwe war einer der ersten Anfechter der Briten in Malawi und kämpfte für die Unabhängigkeit. Dafür musste er mit dem Leben bezahlen. Aber nicht John Chilembwe soll in diesem Blog-Artikel im Mittelpunkt stehen. Vielmehr geht es um die Menschen, die mir zum Mittelpunkt vieler meiner Vormittage und fast aller meiner Nachmittage geworden sind: die Kinder. Genauer gesagt die Kinder, die das Jugendzentrum besuchen und die Kinder des Standard 8 CD der Tsabango Primary School.

Freitag, 15.1., im Kids Corner des Jugendzentrums: Zusammen das Kreuz tragen

Unter unseren Besuchern waren auch zwei kleine Buben, die auf ihren jungen Beinchen langsam durch die Gegend staksten. Ich dachte mir, dass die beiden gerne altersgerechte Beschäftigung hätten. Doch sie waren nicht die Einzigen die an den Kleinkinder-Spielsachen Gefallen fanden. Zwei ältere Burschen kamen hinzu, und so konnte ich mich kurze Zeit lang um andere Kinder kümmern - bis die zwei Kleinen sich langweilten und unzufrieden um etwas Anderes fragten. Ich bot ihnen ein großes Schaumstoff-Puzzle an, das zwar nicht die kleinen aber die größeren Burschen begeisterte. Sie saßen aufmerksam im Kreis und hämmerten und steckten die Teile zusammen, bis sie mir stolz ein unförmiges Kreuz in die Höhe streckten. Sie beschlossen, es triumphal auf dem Kopf durch den Kids Corner zu tragen (wie sie es auch in der Tsabango Primary School gerne mit Tafeln machen) auf das es jeder bewundern möge. Schlussendlich konnte ich auch die beiden kleinen Burschen zufriedenstellen, indem ich sie hochhob und im Kreis drehte. Ihnen gefiel es so sehr, dass mir im Endeffekt schwindlig war. Sogar als sie mich später am Sportplatz beim Bälle Einsammeln von Weiten erspähten, rannten sie mir freudig in die Arme.

Samstag, 16.1., im Büro des Jugendzentrums: Alele!

Geschätzte fünf Minuten hatte ich keinen blassen Schimmer wovon die zwei Mädchen, die zu mir gekommen waren, sprachen. Irgendwann schließlich vernahm ich „Alele!“. Es dämmerte mir. Sie versuchten mir ihr Anliegen auf Englisch verständlich zu machen. Als der Groschen fiel konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Sie wollten, dass ich ihnen meinen „Klassiker“ vorsinge: Alele, ein, soweit ich weiß, in keiner Sprache der Welt sinnergebendes Lied (so versteht wenigstens einmal keiner der beiden Parteien, worum es eigentlich geht). Entweder das, oder die überschwänglichen Bewegungen, die ich dazu mache, oder die Lautstärke mit der ich es durchs Jugendzentrum trällere, scheint einige Kinder mitzureißen. Am Weg zum Markt wurden mir schon öfter Versionen von Alele zugerufen. Dass diese Mädchen mich von meinen Mitvolontärinnen unterscheiden konnten und sogar extra zu mir kamen, erwärmte mein Herz. Im Gegenzug lernten sie mir ein Lied auf Chichewa. Sie schrieben es mir sogar auf. Am darauffolgenden Samstag besuchten mich die beiden wieder und wieder sangen wir gemeinsam.

Einschub: Singen und Tanzen
Wie gern getanzt wird merkt man immer wieder an den Wochenenden im Jugendzentrum. Laute Musik schallt durch die Abendluft. Viele Kinder beanspruchen meist nicht nur den Boden sondern auch die Tische vor dem Büro für ihren Tanz. Auch beim „evening talk“ des Jugendzentrums wird zur Musik getanzt, gesungen und gegrölt. Ich konnte mir um ehrlich zu sein nicht vorstellen, dass in einem Jugendzentrum gespielte Musik solche Anklang bei dieser Altersgruppe von Kindern auslöst. Vor allem nicht, wenn es im Grunde nichts zu feiern gibt. Nicht nur Kinder sondern auch Jugendliche und Erwachsene scheinen mir ungezwungener zu sein, was Tanzen betrifft. Bei den bisher besuchten Geburtstagsfeiern der Fathers tanzten und sangen nicht nur wir Volontärinnen, sondern auch die Aspiranten, betagtere Frauen aus der Pfarre und sogar manche der Fathers selbst schwangen ab und zu das Tanzbein.

Sonntag, 17.1., Ku mitengo im Jugendzentrum: Kicking the ball

Am Wochenende spielt sich der Kids Corner „Ku mitengo“, also bei den Bäumen ab. Die in regelmäßigen Abständen angeordneten Bäume, die mitten in unserem provisorischen Fußballfeld stehen, stellen natürliche Hindernisse dar, welche auf der Torjagd überwunden werden müssen. Das Vertrauen, das einige Kinder in meine spielerischen Fähigkeiten setzen, erfüllte mich mit Freude und Stolz. Anfangs hatte ich zwar Schwierigkeiten diese Erwartungen zu erfüllen, doch ich scheine mich zu bessern. An diesem Sonntag meinte ein junger Mann, er sähe, dass ich den Ball jetzt gut kicken kann. Worauf ich aber vorwiegend mein Augenmerk beim Fußball spielen lege ist mit Begeisterung dabei zu sein und die Kinder in ihrem Können zu bestärken. Wie heißt es so schön: „Wertschätzung ist Pädagogik Don Boscos.“


Montag ist unser freier Tag, deshalb hier eine Unterbrechung meiner Serie.

Dienstag, 19.1., im Kids Corner des Jugendzentrums: Verwandlung

Ein circa dreijähriger Bub ist schon seit einigen Monaten regelmäßig in unserem Kids Corner anzutreffen. Anfangs war er eher introvertiert, aber dennoch bestimmt in seinen Spielzeugwünschen. Er war kaum zufriedenzustellen und verlangte oft nach neuen Spielsachen. Im Zuge dessen lag er uns Volontärinnen mit einen lauten, immer wiederkehrenden „Azungu“ (Chichewa für hellhäutige Person, wörtlich übersetzt Englischsprechender) in den Ohren. An diesem Dienstag aber kuschelte er sich an mich – das schien ihm zu genügen. Kein „Azungu“ kam aus seinem kleinen Mund. Er begann mit meinen Armen auf und ab zu schlagen, woraufhin ich dazu passend wieherte und schnaubte. Dabei lachte er herzhaft. Es freute mich, dass ich sein Spielzeug sein durfte. Tags darauf brachte er mich wieder zum Schnauben und Wiehern.

Mittwoch, 20.1., Standard 8 CD in der Tsabango Primary School: Freude über Wolken

Ein Spiel sollte die Schüler_innen des Standard 8 CD den Schultag versüßen. Soweit mein Plan. Ich überlegte mir deshalb, dasss die Klasse zusammen sechs Sätze grammatikalisch vervollständigen sollte. Für jeden richtigen Satz sollten sie eine Stiege erhalten. Durch die aufgezeichneten Treppen war es dann möglich Luftballons, Wolken oder die Sonne zu erreichen. Anfangs mussten einige Verständnisprobleme überwunden werden, aber bereits beim zweiten Satz riefen mir die Gruppen ihre Antworten entgegen. Über jede neue Stiege brach ein kleiner Jubel aus. Als ich die letzte Stiege zu den Wolken an die Tafel zeichnete, stellte sich der Ausnahmezustand ein. Einige der Kinder in den letzten Reihen sprangen auf, andere warfen die Arme in die Höhe. Die einen schrien vor Freude, die anderen applaudierten. Nur ein Mädchen blieb stumm, hielt sich die Ohren zu und lächelte mich an. Sie warf mir einen halb belustigten, halb genervten Blick zu. „ Sie übertreiben immer so maßlos.“, hätte sie mir vielleicht gesagt, wenn sie denn versucht hätte, die Laustärke zu übertönen.

Geschichte lesen in Standard GH, am 27. Jänner
Geschichte lesen in Standard GH, am 27. Jänner

Die beiden Lehrer mit denen ich am meisten zusammenarbeite
Die beiden Lehrer mit denen ich am meisten zusammenarbeite
Links Mr. Potolani (Mathematik) und rechts Mme Gertrude (Englisch)
Links Mr. Potolani (Mathematik) und rechts Mme Gertrude (Englisch)

Natürlich sind nicht alle Momente mit den Kindern so „perfekt“. Dennoch wollte ich meine Highlights der letzten Tage mit euch teilen. Denn, täglich kann ich mir etwas aus den Begegnungen mit den Kindern mitnehmen. Diese Erlebnisse sind Teil meines Antriebs. Ich hoffe jedoch nicht, dass sie alltäglich und damit vielleicht gar selbstverständlich für mich werden. Wie steht es mit meinen Leser_innen? Vielleicht können „meine großen Momente“ ja auch euch begeistern, und euch Kraft und Inspiration im täglichen Leben spenden.

Fotos sollen folgen!

 

Wer Themenanregungen oder -wünsche für neue Artikel hat, kann sie gerne in einem Kommentar anbringen!

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Kommentare: 2
  • #1

    Magdalena (Donnerstag, 28 Januar 2016 08:55)

    Liebe Bernadette,
    ich freu mich sehr, von dir zu lesen! Und diesmal hast du uns ja wirklich mitten in deinen Alltag entführt! Bei der Geschichte mit dem Stiegen-Spiel musste ich ganz laut lachen, so gut kann ich mir das vorstellen! Es scheint so, als wärst du den Kindern schon richtig ans Herz gewachsen :)
    Und es scheint auch, als hättest du eine neue Frisur! Dazu sage ich nur: mehr Fotos!!! :D
    Alles Liebe!

  • #2

    Claudia (Donnerstag, 28 Januar 2016 17:58)

    Hallo, Bernadette, es sprüht so viel Lebendigkeit und Freude aus deinem Blog, und so viel Liebe zu den Kindern!
    Und ansonsten kann ich nur wiederholen - gibt's noch ein Foto mit dir u. der neuen Frisur?
    Liebe Grüße!!