Hingerissen, mitgerissen, fortgerissen

Eine aufregende Zeit liegt hinter mir. Nicht nur, dass ich das Osterfest in Malawi gefeiert habe – nein! Meine Mutter Christine, und mein Bruder Laurenz haben es mit mir gefeiert!

In den fünf Fastenwochen bereitete ich mich (und das Haus) auf Ostern und den Besuch vor. Die Freitage waren lange Tage, weil die Jugendmesse durch einen zeitaufwändigen Kreuzweg ersetzt wurde. Dieser wurde auf Chichewa abgehalten, und dank der vielen Wiederholungen konnte ich mein Chichewa-Kirchen-Vokabular erweitern. Am Weg in die Kirche nahmen uns öfters ein paar Kinder an den Händen und schlussendlich waren sie dann unsere Sitz- und Knienachbarn. Beim vierten Kreuzweg entschied ich mich spontan beichten zu gehen – jedoch kam mir immer und immer wieder jemand zuvor. Viele, viele Menschen nahmen teil (für einen Kreuzweg jedenfalls) und ich hatte das Gefühl es wurden von Mal zu Mal mehr.

Schon am Vorabend des Palmsonntags teilte einer unsrer Aspiranten seine Vorfreude mit uns: „ Morgen wird toll! Ich hab Lust zu tanzen!“ Ich versuchte meine Neugierde im Zaum zu halten und offen in den kommenden Morgen zu starten.

Das Tragen meines neuen Don-Bosco-Kirchen-Chitenje und das Aussuchen eines hübschen, von der Pfarre bereitgestellten Palmwedels waren die ersten Neuheiten für mich. Alt und Jung flochten Formen und Gebilde aus ihren Palmblättern. Diese schützen nicht nur super vor der enomermen Kraft der Sonne, sondern waren in ihrer Anfertigung auch ein toller Zeitvertreib.

Gruppenfoto in neuen Chitenjes
Gruppenfoto in neuen Chitenjes
Sonnenschutz neu definiert
Sonnenschutz neu definiert

Gespannt wartete ich gut eine halbe Stunde bis sich um 8 Uhr alle am Sportplatz des Jugendzentrums versammelt hatten. Wir wurden angewiesen mit unseren Palmzweigen Spalier zu stehen. Bei gesanglicher Untermalung segnte man die Palmwedel. Anschließend wurden die anwesenden Kinder in die Kirche geschickt. Auch die Erwachsenen bewegten sich langsam vom Sportplatz weg. Dann ging alles sehr schnell – die Eindrücke überschlugen sich. Zwei Trommeln waren plötzlich da, dann rhythmischer Trommelschlag, Blicke wurden ausgetauscht, mit einem Mal war Gesang zu hören und die mich umschließende Menschenmenge bewegte sich tanzend vorwärts. Meine Seele war hingerissen und mein Körper mitgerissen. Zum Takt passend setzen wir alle Mini-Schritt vor Mini-Schritt, sangen Hosanna und wedelten mit unseren Palmzweigen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, aber ich man könnte es mit einer Trance vergleichen. Vielleicht auch weil ich vor lauter Menschen den Straßenrand und die Straße selbst nicht mehr sah, und fast ständig irgendwo mit irgendwem Körperkontakt hatte, fühlte ich mich nicht mehr ganz „normal“. Aufgrund der Hitze tanzte ich nicht die volle Stunde, die der Umzug dauerte, mit sondern ging mit Gleichgesinnten gelassen zurück zur Kirche.

Die zweieinhalbsündige Messe auf Chichewa war im direkten Vergleich zum Umzug recht unspektakulär. Dennoch war es eine tolle Sinnesberuhigung und Einstimmung auf Ostern.

Segnung
Segnung
Umzug
Umzug

Vor der Osterfreude wartete aber noch eine andere Aufregung auf mich: Besuch von Mama und Bruder! Am Gründonnerstag konnte ich die beiden endlich in die Arme schließen, wo meine Gedanken an den Tagen zuvor nur mehr zum Teil im Projekt gewesen waren. Ich war aber nicht die einzige, die Freude an ihrem Kommen hatte. Am selben Tag konnten (vorwiegend) Laurenz‘ Hände und unserer Mutter Haare Kinder aus dem Jugendzentrum begeistern. Magda wusste dann schon vom Hörensagen, dass die beiden angekommen waren.

 

Mit Spaziergängen durchs Projekt und Umgebung und einem Besuch im Stadtzentrum verbrachten wir die Tage. Als die beiden in der Osternacht zum dritten Mal die Kirche betraten (Gründonnerstag und Karfreitag waren #1 und 2) herrschte ruhige, andächtige Atmosphäre, die durch Kerzen verstärkt wurde. Als die Lesungen aus dem Alten Testament beendet waren, das Licht auf gedreht wurde hörte und spürte ich wie sich die Stimmung auflockerte und die Trauer durch Freude ersetzt wurde.

Im Zuge der Messe wurden circa 50 Gläubige durch Taufe und Firmung in die Kirche aufgenommen. Die Reihe an Täuflingen bewegte sich zügig voran und so konnte bald zum nächsten imposanten Highlight übergegangen werden: die Gabenbereitung.

In jeder Chichewa-Messe, die ich besucht hatte, brachte man den Fathers Gaben wie Eier, Toast und Öl dar. Trotz dieses Wissens überraschte und begeisterte mich die österliche Gabenbereitung. Fst jeder sang und tanzte mit dem Chor und den Dancing Girls mit. Einige Frauen stießen Freudenschreie aus (Auf Englisch: They ululated.) Man sah und hörte die Freude durch den Tanz und den Gesang. Ich gab mein Bestes und versuchte ich meine Sitznachbarin zu imitieren. Auch meine Mutter strahlte Freude aus und klatschte leise (wie es hier üblich ist) mit.

Nachdem Father Oswald uns den Segen gegeben hatte, herrschte kurze Zeit Stille. Im Nachhinein betrachtet muss es eine wissende Stille gewesen sein - eine Stille in der alle ihre Vorfreude noch einmal deutlich spüren können.

Plötzlich ertönt die erste Strophe des Liedes „Er ist auferstanden“, erstes ululating ist zu hören und die ersten Kleidungstücke fliegen durch die Luft. Ehrlicherweise will ich anmerken, dass mich der (tanzfreudige) Aspirant Chris schon am Vorabend darauf hingewiesen hat einen Chitenje mitzunehmen, weil wir damit tanzen werden. Dank dieser Info war ich nicht ganz so überrascht und vor allem war ich mit einem Chitenje ausgestattet (den ich wie die meisten Frauen zum darauf Knien verwendet hatte). So warfen wir alle alles was wir hatten. Chris selbst hatte ein extra Leiberl mit, die meisten Männer benutzten aber ihre Westen und Sakkos, und die Fathers schwangen ihre Messgewänder. Auch meine Mutter fand Gefallen daran, lachte und warf ihren Wickelrock einige Male. Nach der Messe erklärte Laurenz Chris: „Verglichen mit hier ist Ostern in Österreich ein Begräbnis!"

Nun, hingerissen und mitgerissen war ich bereits. Fortgerissen ist zwar ein hartes Wort, aber eine Reise durchs Land führte mich aus dem Projekt und auf neue Wege. 12 Tage reisten wir drei herum, erlebten und sahen viel und tauschten uns aus. Für mich neu war der Besuch eines Nationalparks, in dem wir einige tierische Abenteuer erlebten. Jedenfalls für uns war es aufregend – den Tieren wohl eher egal. Die fast 5 Tage am See genossen wir sehr, wenn es auch für mich persönlich eine Umstellung war wieder so wenige Kinder und so viel – wenn man es so nennen will - Luxus zu erleben. Es war eine sehr bereichernde, schöne Zeit. Dennoch ist es schön wieder daheim zu sein. Hier bin ich weniger Tourist und mehr Bena, obwohl unser Fahrer anderer Meinung war.
„Freust du dich auf daheim? – „Ja! Ich mein, es war nett ein Tourist zu sein, aber -” – "Du bist kein Tourist! Du bist eine echte Malawierin!“

Bootsfahrt am Shire River im Nationalpark
Bootsfahrt am Shire River im Nationalpark

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Claudia Schaufler (Mittwoch, 13 April 2016)

    Endlich!!! Der lang erwartete neue Bericht ist da!! Dein Vater hat mich vorhin extra angerufen, dass dein Blog jetzt da ist. Für mich ganz erstaunlich sind die vielen emotionellen Erfahrungen, die du machst, dieses Singen, Tanzen, Jubeln...und dabei die intensiven Kontakte mit den Kindern u. Jugendlichen. Übrigens - was war mit der Beichte, hattest du schon die Gelegenheit dazu? - Ich hab Tante Irmi versprochen, ihr alle deine Berichte u. Fotos von Anfang an auszudrucken! Ganz liebe Grüße! Claudia und Herbert