Endspurt

 „So, whoever wants to join me writing stories, please register your names.“ Dieses Vorhaben tat ich am 29. April im Standard 8 CD kund. 15 Minuten später hatte ich es schriftlich: 32 Namen auf einem Papier. Mit frischem Elan schürzte ich mich in die Vorbereitungen ...

Der Standard 8 entließ seine Schüler_innen in die Ferien, dennoch stand ich am Montag Nachmittag, Punkt 2 Uhr wieder vor den Klassenräumen. Leider alleine. Es dauerte eine Weile bis einige wenige interessierte Schüler_innen des Standard 8 eintrudelten. Ich verzog keine Mine, und zog mein vorgenommenes Programm durch: Zerschnittene Texte wieder zusammenfügen. Die anwesenden Schüler_innen hatten zumindest ihren Spaß. Ich erhielt mir meinen Positivismus bis zum darauffolgenden Freitag. Kaum jemand kam. Ich konnte mein Programm aufgrund der geringen Teilnehmerrate nicht durchführen. Auch am nächsten Montag nicht. So verlor ich langsam sowohl Geduld als auch Lust. Mein letzter Strohhalm war meine Lehrerkollegin Gertrude. Sie half mir Schüler_innen des Standard 7 für den neu benannten „English Club“ zu registrieren. Und wahrlich, die neuen Mitglieder kamen in hohen Zahlen. Bloß hatten sie mit dem Hunger zu kämpfen, weil sie gleich nach Schulschluss zum English Club kamen. Ich tat mein Bestes ihre Aufmerksamkeit in den ersten beiden „Introduction lessons“ vom knurrenden Magen weg, hin zu Textstrukturen und Satzverknüpfungen zu lenken. Meine treusten Diener dabei waren jokes (besonderer earcatcher: Weiße Person redet Chichewa) und games.

Dann wurde es ernst. Ich kündigte schon in der vorhergehenden Stunde an, dass sie das nächste Mal selbstständig Geschichten schreiben werden (wobei ich zuvor die rhetorische Frage gestellt hatte, ob sie denn eh alleine Geschichten schreiben wollen und ein firmes, aufgeregtes, mit Herzblut gesagtes 'Nein!' zu Antwort bekommen hatte). Nun ja, wir hielten uns an das Motto „Was man noch nicht kann, kann man noch lernen.“ Sie schrieben die unterschiedlichsten Geschichten über Freunde, Familie, Gott, Schule und vieles mehr. Manche Kinder kamen nur einmal, bei anderen sah ich eine stetige Verbesserung. Am 17. Juni schließlich hieß es 'ausgeschrieben'. Alle Themen waren behandelt worden und so bereitete ich ein Spiel und Wasserfarben vor, um den Kindern gebührend für ihr Interesse und ihre Mühen zu danken. Es war ein lustiger Nachmittag. Nach einer Runde 'Kritzel- Schreib-Spiel' waren sie fröhlich bis überdreht und ich war über die Wasserfarben als Beruhigungstherapie froh.

Nun hieß es für mich korrigieren, abtippen und einfügen. Jeder der 13 Schreiber, der eine Geschichte beigetragen hatte, sollte ein Buch mit den Geschichten erhalten. Soweit die Vision. Wie es schien konnten einige der Schüler_innen nicht mehr von ihrem Montag-Freitag-English-Club-Rhythmus ablassen. Über eine Woche hinweg wurde ich vereinzelt gefragt, wann wir uns denn wieder treffen würden. Geschmeichelt musste ich ablehnen, doch ich verwies sie auf das Buch. Die Geschichten die mir in die Hand gedrückt wurden, konnte ich natürlich nicht ablehnen. Jede einzelne brachte mich vor Freude und Stolz zum Strahlen.
Sehr konkret kann ich nicht benennen, was mich vom Abtippen des Buches (und vom Blogschreiben) abgehalten hat. Aber es muss wohl das Jugendzentrum gewesen sein. Am 6. Juli feierten wir den „Independance Day“. Zu diesem Anlass wollte eine Veranstaltung mit Partygames organisiert werden. Rückblickend gesehen war das Highlight aber keines der Partygames, sondern ein Mann, der, wie Johannes Bosco in jungen Jahren auch, auf einem zwischen Volleyballstangen aufgespannten Seil balancierte. Nur dass Don Bosco wahrscheinlich eher Bäume zur Verfügung hatte und keine Eisenstangen.

Am 15. Juli war es dann soweit: Closing day of Tsabango Primary School. Ich machte mich auf die Suche nach meinen Schützlingen. Alle konnte ich nicht ausmachen, aber den Anwesenden überreichte ihnen je ein Buch, einen Kugelschreiber (und einen aus Überraschungseiern stammenden Glücksbringer). Die Reaktionen waren unterschiedlich. Ein Mädchen umarmte mich, ein anderer verzog keine Mine. In der darauffolgenden Woche kamen einige Schüler_innen selbst auf mich zu,  um nach ihrerm Buch zu fragen. Andere wiederrum erinnerte ich daran. Ich war jedenfalls froh, dass ich den ersten Teil meines Wunsches verwirklicht hatte.

Ich bin jedoch noch nicht ganz fertig (obwohl mir langsam die Zeit davonläuft) mit meinem Vorhaben. Mein weiterer Plan ist es, die Geschichten in einem Englisch-Chichewa Buch weiterzuverwenden. So soll man auf der einen Seite die englische Geschichte lesen können und auf der anderen Hälfte der Doppelseite die Chichewa Übersetzung dazu. Ich denke, dass solche Bücher im Kids Corner des Jugendzentrums eine gute Verwendung finden würden. Sie behandeln nämlich Themen aus dem Erfahrungsbereich der Kinder, jedes Kind kann sie auf Chichewa verstehen und wer möchte kann seine Englischkenntnisse verbessern. In Österreich angekommen möchte ich die Geschichten auf Deutsch übersetzten und mit Gedankenanregungen versehen. Die Kombination daraus soll einen möglichst ganzheitlichen, mehr-perspektivischen Eindruck vom Leben in Malawi, genauer gesagt vom Leben in Lilongwe, Area 23, ergeben.

Das alles ist nicht nur auf meiner Arbeitsinitiative gewachsen. Alle Volontäre, die von "VOLONTARIAT bewegt" ausgesendet wurden, werden dazu angehalten sich in einem „Volo-Projekt“ mit Aspekten aus ihrem Einsatzland auseinanderzusetzen. Wenn möglich soll das Projekt auch für die Öffentlichkeitsarbeit in Österreich verwendet werden.

Wie bereits erwähnt, die Zeit verfliegt und mit der Zeit werde auch ich fliegen. Hoffentlich nur praktisch und nicht rhetorisch im hohen Bogen. Wie auch immer, die letzten Wochen sind ein Phänomen für sich. Stressig, mulmig, emotional. Ausgelernt hab ich nicht. Aber das werde ich wohl mein Lebtag nie haben, unabhängig von meinem Wohnort. Deshalb bin ich dankbar für meine neu gewonnenen Freundschaften, Erfahrungen und Fähigkeiten und blicke neugierig und freudig in die Zukunft.

Zu guter Letzt möchte ich mich herzlich für das Interesse an meinen Erlebnissen

in Malawi und die vielen lieben Kommentare bedanken!

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Kommentare: 1
  • #1

    Claudia Schaufler (Sonntag, 24 Juli 2016 13:58)

    Siehst du, ich konnte es gar nicht erwarten, wieder ein Lebenszeichen von dir zu bekommen. Und hier ist es schon!! Danke für den spannenden (letzten ?) Blog aus Malawi!